Etwas, das ich in der Zeit seit meinem letzten Post erkannt habe, ist dass ich meinen Weg im Leben vielleicht auch deswegen noch nicht sehen kann, weil es einfach noch nicht an der Zeit ist, die nächsten Schritte zu gehen.
Im letzten Jahrzehnt wurde ich durch diverse Umstände so weit in meinem Leben zurückgedrängt, bis kaum mehr etwas davon oder überhaupt von mir selbst übrig war. Am Tiefpunkt musste ich dann einer Erkenntnis ins Gesicht blicken, durch die ich auf einmal alles in Frage gestellt habe: Wer bin ich, wenn ich nicht die bin, die ich dachte zu sein??
Lange hat sich dieser Zustand angefühlt wie ein Gefängnis, aber je weiter ich komme, desto mehr wirkt er wie eine Art Kokon, in dem ich vollständig transformiert werde. Es scheint, als soll ich gerade keine großen Schritte machen, keine Ziele oder Pläne haben.
Mondenkind
Mir kommt zurzeit immer wieder die Szene aus der Unendlichen Geschichte in den Sinn, in der Bastian der Kindlichen Kaiserin den rettenden neuen Namen gibt: Mondenkind. Die Verfilmung hört an dieser Stelle mit einem Happy End auf, im Roman geht es hier erst so richtig los: An diesem Punkt hat das Nichts alles Alte ausgelöscht; Bastian und das Mondenkind schweben nun in einem leeren Raum – ein Raum, in dem alles verloren und gerade deswegen alles möglich ist, in dem alles neu entstehen kann.
Ich fühle mich immer mehr wie in einem solchen Raum aus Nichts, in dem ich fast völlig frei bin, weil ich nichts (mehr) habe; nicht einmal mehr ein Bild von mir selbst, wer ich bin und wie ich sein soll. Ich habe bisher vieles in meinem Leben verpasst, aber das heißt auch: Jetzt, wo sich dieses Leben endlich langsam öffnet, bin ich frei in alle Richtungen gehen und mich ganz neu (er)finden zu können.
Mein Weg zeigt sich, indem ich ihn gehe
Ganz an dem Punkt mich völlig befreit neu entfalten zu können bin ich zwar noch nicht, aber ich habe immer mehr das Gefühl, dass ich nichts dafür tun muss – außer weiter mein Innerstes zu heilen und zu stärken und dann zu sehen, wie sich mein Leben von selbst entwickelt, ganz organisch aus mir heraus.
Ich habe lange geglaubt, dass man sich alles im Leben mühsam erarbeiten muss, im Zweifelsfall auch gegen Widerstände, dass man konkrete Ziele haben muss um das erreichen zu können, was man meint erreichen zu wollen. Denn von nichts kommt nichts, so heißt es doch. Aber jetzt da bei mir tatsächlich nichts mehr geht versuche ich es gezwungenermaßen mit einem anderen Weg, nämlich dem, mich auf den Flow des Lebens einzulassen, ohne zu wissen wohin mich dieser führen wird.
Ich ahne immer mehr: Mein Weg wird sich zeigen, indem ich ihn gehe; es geht gar nicht anders, weil es viel zu viele Unbekannte in der Gleichung gibt und zu wenig klar ist, was überhaupt realistisch erreichbar ist – und was nicht – um mir irgendwelche Ziele zu setzen.
Der Kompass im Inneren
Mein äußeres Leben ist schon jetzt maximal reduziert, jetzt muss ich auch noch all die Vorstellungen und Wünsche, die ich hatte, loslassen. Nicht zwingend abschreiben, aber eben loslassen, um offen dafür sein zu können, wohin der Flow mich in Zukunft treiben wird, was aus dem momentanen Nichts überhaupt noch erwachsen kann.
Ich mache also gerade keine Pläne für die Zukunft außer dem, was absolut notwendig ist, und auch nur so weit, wie es gerade notwendig ist. In gewisser Weise bin ich völlig passiv – bis auf die innere Arbeit, die mich schon so lange begleitet – und warte auf ein Signal aus mir selbst heraus.
Eigentlich brauche ich also eher einen Kompass im Inneren statt Sterne im Außen, die mir den Weg weisen. Es geht darum der eigenen inneren Stimme zu folgen, auch wenn sie anfangs noch schwach ist und uns vielleicht auch nicht mehr sagt als den nächsten kleinen Schritt, den wir machen sollen. Denn wie gesagt: Unser Weg zeigt sich erst, indem wir ihn gehen – so wie sich unser ganzes Leben gestaltet, indem wir es leben.
Foto von Mahdi Soheili auf Unsplash